Espresso ist diesseits der Alpen keine einfache Angelegenheit. Er gelingt, wenn drei Komponenten stimmen: die richtigen, entsprechend gerösteten und frisch gemahlenen Bohnen; in der richtigen Maschine, bedient vom fachkundigen Personal. In den Schweizer Städten sind gute Bohnen überhaupt gar kein Problem. Luzerns Röstereien habe ich aufgehört zu zählen, lande aber meistens bei den im Beitrag zum Cascara erwähnten Bergen und Tacuba. Doch am italienischsten blieb mir die Mischung “Napoli” vom Café Grand-Rue in Fribourg in Erinnerung. Auch die geeigneten Siebträgermaschinen sind keine Seltenheit mehr, man sieht sie unterdessen sogar in manch einer Bäckerei. Mit dem richtig geschulten Personal dagegen ist es noch so eine Sache.
Nicht selten will dieses beim Espresso besonders grosszügig sein, mehr ist mehr. Diese eigentlich gut gastfreundschaftliche Haltung hat beim kleinen Schwarzen fatale Konsequenzen. Sie lässt das dickflüssiges, cremabekrönte Lebenselixier zu einer trüben Pfütze verkommen. Weniger ist mehr, gilt nirgends so stark wie beim Espresso.
All das stimmt in der überaus mondänen Bar 45. So prätentiös das marmorne Innere der Bar und ihre Lage an der Bahnhofsstrasse inmitten des Hauptsitzes einer namhaften Grossbank ist, so unbestechlich ist der schlichte Auftritt des Espressos: Dickwandiges, braunes Porzellan umhüllt das “Schlückli” neapolitanischer Essenz; schlichte Perfektion. Das Zuckerbriefchen verrät, warum ausgerechnet eine Bar und kein Café so guten Kaffee serviert. Sie ist ein Ableger, des bekannteren La Stanza am Schanzengraben, das als beste Adresse für Kaffeespezialitäten in Zürich gilt. Dort erwarte ich die gleiche Qualität. Aber der schnellste Weg vom Hauptbahnhof nach Süditalien führt in die Bar 45.