Pale Ale als Champagner oder Cocktail

Dass IPA und Craft Beer im Allgemeinen in den letzten Jahren zum Getränketrend wurde, dürfte bekannt sein. Welches Ausmass aber dieser Hype angenommen hat, wurde mir erst bei einem Besuch in Wien bewusst. Im dortigen Glacis-Beisl wurde das High ‘n’ Dry der 6 Beers Brewing Company – übrigens Sieger der 2019er Austrian Beer Challenge des Falstaffs in der Kategorie IPA – wie Champagner serviert. Der Kellner ging auch mit der gleichen Methode vor, als würde er uns einen Schaumwein kredenzen: Die Flasche am Tisch entkorkt, zum Probieren eingeschenkt, währenddessen das Etikett präsentiert, anschliessend im Kühler auf den Tisch gestellt. Natürlich serviert in einem recht bauchigen Weinglas, das sich durchaus für Champager eignen würde.

Das IPA aus der Brauerei nahe Wien erfüllte dann auch seinen Zweck als Champagnerersatz sehr gut. Es war trocken, leicht fruchtig, mit schönen Hopfennoten. Ausserdem machte es einen überdurchschnittlich sprudeligen Eindruck, was aber auch daran liegen kann, dass ich noch nie Bier aus einem Weinglas getrunken habe. Ein Vorteil, IPA wie Champager zu trinken, ist auch der wesentlich tiefere Alkoholgehalt. Gerade bei hohen Temparaturen käme somit beim Brunch oder gediegenen Mittagessen mehr als nur ein Glässchen in Frage. Zudem geniesst man das IPA noch bewusster und kann – ähnlich wie beim Wein – versuchen, mehr Gerüche und Aromen zu entdecken. Das IPA mag den Champagner natürlich nicht gänzlich ersetzen. Gerade als klassische Essensbegleitung, etwa zu Meeresfrüchten, bietet sich Filigraneres als IPA an. Aber als Apéro, insbesondere wenn deftigere Speisen folgen, ist das durchaus eine bereichernde Erfahrung.

Auch im weiteren Verlauf des Abends durfte ich weitere Bier-Premieren erleben. In der äusserst empfehlenswerten Cocktailbar Die Parfümerie gibt es den Cocktail “Leo”, welcher neben Mezcal, Chartreuse und anderem auch ein Pale Ale der Brauerei Brauton beinhaltet. Brauton als solches ist bereits ein interessantes Projekt, denn die dort hergestellten Biere werden während des Brauprozesses mit Musik beschallt. Das Pale Ale etwa bekommt eine Dosis Steaming Satellites ab, und soll dadurch noch besser schmecken. Im Cocktail selber ist es eine tolle Komponente. Der gesamte Drink wird dadurch leichter, luftiger und kriegt durch das sanft bittere aber fruchtige Hopfenaroma einen schönen Twist. Es ist ein Cocktail, denn man jederzeit und immer wieder trinken kann, sowohl als Pre-Dinner Drink oder auch spätabends als Absacker vor dem Heimweg. Ein Erlebnis war übrigens auch die getrocknete Limetenscheibe, die als Dekoration auf dem Glas war. Sollte man unbedingt dazu geniessen – salzig, sauer, kräftig, einfach toll.

Als jemand, der immer gerne etwas Neues probiert, bin ich ein Fan des Craft Beer Trends. Es ist unterhaltsam und spannend, dass es immer wieder neue Biere und neue Kombinationen von kleinen und grösseren Produzenten gibt. Auch wenn alles seinen Rahmen hat – ein semitraumatisches Erlebnis mit einem Cherry Sour Beer hat mir klare Grenzen aufgezeigt – sollte man seinem Gaumen immer wieder etwas Neues zutrauen. Dass nun kulinarisch kreative Köpfe diesen Trend weiterspinnen und an unerwarteten Stellen einfliessen lassen, oder Bier gar re-interpretieren, ist eine interessante Entwicklung die neugierig macht und anspornt, weiter zu entdecken.

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